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Säge - Jung Ulrike - Konzepte zur Gesundheitsförderung

Wenn des nachts die Säge nervt – Was Schnarchen für die Gesundheit, die Partnerschaft und die Lebensfreude bedeutet

Inhalt:

  • Schnarchen als Störfaktor
  • Wie entstehen Schnarchgeräusche?
  • Ist Schnarchen gefährlich?
  • Schnarchen evolutionär betrachtet
  • Tipps für Schnarcher

„Gott schenke uns Ohrenlider“ flehte unerhört schon Kurt Tucholsky. Doch bis heute hat uns die Evolution keine körpereigene Vorrichtung geschenkt, die den Lärm draußen hält. So sind Bettpartnerinnen von Schnarchern nach wie vor dem störenden Krach ausgesetzt, während der Schnarcher selbst sein Schnarchen nicht hört. Und der Lärm kann beträchtlich sein. Laut Guiness Buch der Rekorde bringt es der lauteste Schnarcher der Welt auf 111 Dezibel, vergleichbar einem Düsenflugzeug im Tiefflug. Aber auch 80 Dezibel, die von nicht rekordverdächtigen Schnarchern erzeugt werden, besitzen noch Rasenmäher-Lautstärke. Singleschläfer, die zwar keine Bettpartner stören und so keine direkte Rückmeldung erhalten, können selbst einige Indizien für ihr nächtliches Schnarchen erkennen, zum Beispiel:

  • Sie fühlen sich morgens trotz ausreichender Schlafzeit wie gerädert
  • Der Mund ist trocken
  • Sie neigen untertags zu Sekundenschlaf, besonders bei monotonen Tätigkeiten
  • Sie haben öfter Kopfschmerzen
  • Sie sind am Tage weniger leistungsfähig und können sich bei der Arbeit schlecht konzentrieren
  • Bei sehr hellhörigen Gebäuden fragt morgens der Nachbar, ob Sie gut geschlafen haben

Obwohl etwa 44% der Männer und 28% der Frauen zwischen 30 und 60 Jahren schnarchen, ist Schnarchen noch ein Tabuthema und wird in der Gesundheitsförderung oder gar in der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sehr selten adressiert. Zeit, das zu ändern.

Wie entstehen Schnarchgeräusche?

Das Geräusch des Schnarchens kann man kaum verschriftlichen. Nicht von ungefähr behilft man sich deshalb mit Metaphern wie sägen oder bei leisem Schnarchen knurren oder schnorcheln. Auch die gerne verwendete Buchstabenreihe Zzz ist nur ein Behelf. Der medizinische Fachbegriff für das Schnarchen ist Rhonchopathie. Es fällt auf, dass dieses Wort eine gewisse Nähe zum beschriebenen Geräusch hat.

Schnarchgeräusche entstehen, wenn die Luft beim Einatmen auf Engstellen in der Nase oder im Rachen trifft. Die Luft wird verwirbelt und lässt das Gaumensegel oder Zäpfchen mehr oder weniger flattern. Durch diese Schwingungen entsteht Schall.

Die Schwingungen entstehen vor allem dann, wenn die Muskeln des Rachenraumes schlaff sind und auch das Stützgewebe erschlafft ist, so dass die Zunge zurückfallen kann oder das Zäpfchen sich Richtung Zunge senkt.

Bei Frauen ist bis zur Menopause durch den Östrogeneinfluss eine höhere Muskelspannung vorhanden, die dem Schnarchen entgegenwirkt. Nach Eintritt der Menopause holen die Frauen aber auf, was die Schnarchquote anbetrifft.

Fetteinlagerungen im Rachenbereich sind ebenfalls schnarchfördernd, da sie den Durchflussraum einengen.

 

Die Gründe für das Schnarchen:

  • Die Nasenatmung ist behindert und der Schlafende atmet durch den Mund
  • Allergien können nicht nur die Nasenatmung behindern, sondern auch die Schleimhäute im Rachen anschwellen lassen
  • Übergewicht kann die Fetteinlagerung im Rachenraum begünstigen
  • Schlafen in Rückenlage ist einer der Hauptgründe
  • Alkohol am Abend setzt die Muskelspannung herab
  • Das gilt auch für Schlafmittel und andere beruhigende Medikamente
  • Zunehmendes Alter

Ist Schnarchen gefährlich?

Solange mit dem Schnarchen keine Atemaussetzer verbunden sind und ausreichend Luft in die Lungen fließt, ist das Schnarchen für den Verursacher nicht gesundheitsschädlich. Der Bettpartner kann allerdings erheblich leiden. Nach einer Forsa-Umfrage von 2018 gaben 78% der befragten Frauen an, dass ihr Partner schnarcht. Sie haben verschiedene Strategien entwickelt, um wenigstens Schnarchpausen zu erreichen.

Etwa 45% stoßen den Partner kräftig an, 21% drehen den Partner auf die Seite, 13% haben getrennte Schlafzimmer, einige schlafen auf dem Sofa und nur 5% bitten den Partner, zum Arzt zu gehen. Man kann also sagen, Bettpartnerinnen leiden still und tun wenig, um ihre eigene Schlafqualität zu retten oder präventiv den Partner zu unterstützen.

Dennoch sollte das Schnarchen nicht bagatellisiert werden, da etwa ein Drittel der Schnarcher im Laufe der Zeit ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom entwickelt. Der Begriff Apnoe stammt aus dem Griechischen und bedeutet Windstille. Der Betroffene hat eine Atempause, kein Lufthauch ist zu spüren. Durch die unzureichende Sauerstoff-Versorgung und die steigende Kohlendioxidkonzentration löst der Körper über Chemorezeptoren im Gehirn Alarm aus, damit der Schläfer nicht erstickt. Der Atemlose erwacht und beginnt mit einem starken Schnarcher wieder zu atmen. Die Schwere der Schlafapnoe wird durch die Anzahl der Apnoe-Ereignisse pro Stunde gekennzeichnet. Bei 5-10 Ereignissen spricht man von einer milden Schlafapnoe. Die Atemaussetzer können von wenigen Sekunden bis zu einer Minute dauern.

Von dem ganzen dramatischen Geschehen merkt der Betroffene typischerweise nichts. Der stark fragmentierte Schlaf mit den häufigen Wachreaktionen zieht jedoch zahlreiche Gesundheitsprobleme nach sich. Im Verlauf des Atemstillstands steigt der Blutdruck. Das Herz muss mit Hochdruck arbeiten, dennoch gibt es immer wieder einen kurzfristigen Sauerstoffmangel in Körper und Gehirn.

Die Folgen sind Tagesmüdigkeit, Sekundenschlaf, Konzentrations-und Gedächtnisstörungen und auch Potenzstörungen. Letztere führen oft zum ersten Arztkontakt. Langfristig steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall.

Fazit: Das Schnarchen ohne Atemaussetzer ist zwar für den Schnarcher zunächst nicht gefährlich, da jedoch jeder dritte Schnarcher im weiteren Verlauf eine obstruktive Schlafapnoe entwickelt, diese Veränderung aber selbst nicht bemerkt – höchstens über die Begleitsymptome – sollte man das Schnarchen nicht einfach hinnehmen, sondern aktiv werden. Weniger Schnarchen sorgt außerdem für mehr Frieden im Schlafzimmer und besseren Schlaf und damit Laune bei der Bettpartnerin / dem Bettpartner.

Schnarchen evolutionär betrachtet

Ist Schnarchen ein neues, zivilisationsbedingtes Phänomen oder kann Schnarchen evolutionär ein Vorteil gewesen sein? Es gibt Hypothesen, dass es für die steinzeitliche Horde ein Vorteil war, einen kräftigen Schnarcher in ihrer Gruppe zu haben. Die bedrohlich wirkenden Sägetöne könnten Räuber und wilde Tiere in die Flucht geschlagen haben.

Da Schnarcher auch heute noch zu einem großen Teil übergewichtig sind, könnten die steinzeitlichen Schnarcher auch besonders wohlgenährte und kräftige Männer gewesen sein.

Immerhin entsteht das Schnarchen in den gleichen anatomischen Strukturen wie das Knurren beim Hund, das ebenfalls nichts Gutes verheißt.

Im weltweit einzigartigen Schnarchmuseum in Alfeld, das zur Expo 2000 eingerichtet wurde, kann man jahrhundertealte Aufzeichnungen zum Schnarchen und zur Schlafapnoe anschauen. Die älteste stammt aus dem Jahr 460 v. Chr. und behandelt die Reaktion der Frauen auf das Schnarchen des Gottes Dyonysos, dem Sohn des Zeus. Diese Reaktionen unterschieden sich nur im verwendeten Material von denen, die geplagte Bettpartnerinnen heute anwenden. So wurde Dyonysos mit dem Stiel eines Riesenfenchels immer wieder angestoßen, wenn das Schnarchen zu laut wurde.

1745 erschien die erste Dissertation über das Schnarchen der Schlafenden in lateinischer Sprache von Friedericus Wilhelm Lust an der Universität Halle-Magdeburg zur Erlangung des medizinischen Doktorgrades.

Auch allerlei Erfindungen und Gerätschaften zur Verhinderung des Schnarchens sind im Schnarchmuseum zu sehen.

Tipps für Schnarcher

Die Bandbreite der Hilfsmittel zur Verhinderung des Schnarchens ist enorm und für den Hilfesuchenden oder die Beraterin ist es nicht einfach, hier zwischen obskuren Methoden und Hilfen zu unterscheiden, die tatsächlich einen Versuch wert sind. Die eine Methode, die allen Schnarchern hilft, gibt es nicht, soviel vorab.

Da Übergewicht das Schnarchen stark begünstigt, wäre hier der Ansatz, durch Gewichtsreduktion etwas gegen den nächtlichen Lärm zu unternehmen. Nachhaltiges Abnehmen ist aber ein eigenes Thema und soll deshalb hier nicht weiter behandelt werden.

Weitere ursachenbezogene Strategien sind:

  • Konsum von Alkohol, Schlafmitteln und Beruhigungsmitteln prüfen und diese Substanzen testweise für einige Zeit weglassen, da diese, besonders bei Älteren, das Stützgewebe im Rachenraum erschlaffen lassen.
  • Hindernisse bei der Luftzufuhr identifizieren, wie eine durch Erkältung oder Allergie verstopfte Nase, Polypen, eine schiefe Nasenscheidewand oder stark vergrößerte Mandeln und dieses Problem mit dem Arzt besprechen
  • Stärkung des Stützgewebes im Rachen durch Training. Hier gibt es gemischte Erfahrungen mit Didgeridoo Spielen. Einen Versuch ist es für musikalische Schnarcher sicher wert. Allerdings ist Regelmäßigkeit und Ausdauer vonnöten.
  • Zur Stärkung der Zungenmuskulatur dient das Gerät ExciteOsa, das täglich untertags 20 Minuten angewendet werden soll. Über neuromuskuläre elektrische Stimulation erfolgt die Kräftigung der Zungenmuskulatur. Das Gerät kann direkt beim Hersteller Online bezogen werden.
  • Schienen, die den Unterkiefer vorverlagern, weiten die oberen Atemwege und straffen das Gewebe. Diese Unterkiefer-Protrusionsschienen können als selbst anzupassende thermolabile Schienen direkt Online oder im Fachhandel bezogen werden. Aufwendiger und meist auch wirksamer ist die Anpassung einer individuell angepassten Schiene durch einen spezialisierten Zahnarzt.
  • Nur der Vollständigkeit halber werden operative Maßnahmen erwähnt. Hier sollte immer eine seriöse und umfassende Beratung durch einen erfahrenen Operateur vorausgehen.

Weitere Tipps:

Schnarchbänder, Sprays, Gaumenspangen, Schnarchringe oder ähnliche Hilfsmittel werden von Schlafmedizinern eher nicht empfohlen, dennoch gibt es hilfreiche und erprobte Tipps.

  • Tritt das Schnarchen verstärkt in Rückenlage auf, so kommen Hilfsmittel zum Einsatz, die die Rückenlage verhindern. Tennisbälle haben sich nicht bewährt. Sinnvoller sind spezielle Westen, die zwar die Rückenlage verhindern, aber dennoch ein Drehen im Bett ermöglichen. In diesem Modell von Nachtwächter ist das Rückenkissen individuell aufblasbar und kann deshalb auch gut auf Reisen mitgenommen werden. Im Idealfall ist es so, dass die Weste nach einigen Monaten nicht mehr benötigt wird, da der Körper sich daran gewöhnt hat, die Rückenlage zu vermeiden.

  • Elektronische Lagerungsgurte, die durch Vibrieren die Rückenlage anzeigen bis ein Positionswechsel vorgenommen wurde (z. B. Somnipax belt). Das gleiche Ziel haben verschiedene Apps.
  • Kopfende des Bettes leicht aufstellen und ein spezielles Kissen für Seitenschläfer verwenden
  • Ohrstöpsel für die Bettpartnerin – eher eine Interimslösung

Sie haben Fragen zu den Inhalten dieses Artikels, zu Schritten in der Beratung und im Coaching von Klienten, zu hilfreichen Produkten oder möchten wissen, welche konkreten Maßnahmen zum Beispiel in der Betrieblichen Gesundheitsförderung wie eingesetzt werden können, dann nehmen Sie am besten gleich Kontakt mit mir auf.

Vitasom® Programm

Weiterbildung zum Schlafberater

 

Wasserfall - blog-kraftquelle-schlaf

Schlaf, die verkannte Kraftquelle jedes Unternehmens

Besser schlafen – besser leben – leichter mehr leisten

 

Inhalt:

  • Die Rolle des Schlafes in der Arbeitswelt
  • Die inneren Uhren und der Tagesablauf
  • Die Auswirkungen der Schlafqualität auf die Tagesleistungen
  • Ist Work-Life-Balance zeitgemäß?

Die Rolle des Schlafes in der Arbeitswelt

Dass der erholsame Schlaf eine Kraft- und Gesundheitsquelle für jeden Menschen ist, beschrieb schon der amerikanische Schlafpionier und Professor an der Stanford University William C. Dement (1928 – 2020) nach über 40 Jahren Schlafforschung: „Ich habe keinen Faktor gefunden, der einen größeren Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden hat als den Schlaf. Rund 70% der körperlichen und 100% der psychischen Regeneration hängen von qualitativ hochwertigem Schlaf ab“.

Was hat das mit den Unternehmen zu tun?

Motivierte, engagierte und gesunde Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource in jedem Unternehmen, unabhängig von dessen Größe oder von der Ausrichtung des Angebotes. Betriebliches Gesundheitsmanagement(BGM) hat deshalb zu Recht einen hohen Stellenwert. Für den Schlaf, als Maßnahme der betrieblichen Gesundheitsförderung, gilt das noch nicht in gleichem Maße wie für andere Gesundheitsthemen. Nur etwa 10% der Unternehmen, die ein BGM eingeführt haben, bieten auch Schulungen und Maßnahmen zu besserem Schlaf und den chronobiologischen Rhythmen an, die durch Fachleute durchgeführt werden. Dieses Manko findet sich besonders in kleinen Unternehmen, da oft sowohl personelle wie finanzielle Ressourcen nicht ausreichend vorhanden sind oder die Bedeutung dieses Lebensstilbereiches nicht bekannt ist.

Auch wenn der Schlaf in jüngster Zeit mehr Beachtung und Wertschätzung erfährt, so wird besonders bei aktiven und leistungsbereiten Menschen der Schlaf immer noch als Zeitverschwendung abgetan und wenn Schlaf unbedingt sein muss, so solle es wenigstens ein komprimierter Turbo- oder Leistungs-Schlaf sein. Macht und Erfolg gehören denen, die wenig schlafen, das suggerieren Anekdoten über vermeintliche Kurzschläfer. Diese Einschätzung und die Anwendung für den eigenen Schlaf sind in hohem Maße selbstschädigend.

Nehmen diese Menschen Führungspositionen ein, so kann dies auch die Integration des Schlafes in die betriebliche Gesundheitsförderung erschweren.

Aber nicht nur Gesundheit und Wohlbefinden hängen vom guten Schlaf ab, auch die Sicherheit kann leiden. Bei etwa 20% der schweren Verkehrsunfälle und 13% anderer Arbeitsunfälle spielt die Übermüdung des Fahrers oder Mitarbeiters eine entscheidende Rolle. Einige große Unglücksfälle der letzten Jahrzehnte haben dies eindrucksvoll gezeigt.

Auch im Sinne des Employer Branding können die gängigen Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung durch die Themen Schlaf und chronobiologische Rhythmen im (Arbeits)Alltag auf ein neues Fundament gestellt werden.

Die inneren Uhren und der Tagesablauf

Aufwachen, ohne durch einen nervigen Wecker viel zu früh aus dem Schlaf gerissen zu werden, ein Wunschtraum vieler Menschen. Der Start in den Tag könnte so schön sein, wenn er denn etwas später begänne. Sehr früh am Morgen sitzt vielen Menschen die Müdigkeit noch in den Knochen, die Glieder sind schwer und der erste Blick in den Spiegel sorgt auch nicht für Stimmungsaufhellung.

Aber heißt es nicht: “der frühe Vogel fängt den Wurm“ und „Morgenstund hat Gold im Mund“? Diese Volksweisheiten repräsentieren die auch heute noch verbreitete Arbeitsethik: Arbeit und Aktivität früh am Morgen zeugen von Fleiß, während Langschläfer leicht in den Verdacht geraten, Faulpelze zu sein.

Dabei wissen wir seit den Bunkerversuchen von Professor Jürgen Aschoff und weiteren Mitarbeitern des Max Planck Institutes aus den 1960er und 1970er Jahren, dass Menschen durch innere Uhren gesteuert werden. Jeder Mensch hat seine genetisch codierten inneren Rhythmen. Die Wissenschaft vom rhythmisch gesteuerten Ablauf der Funktionen jedes Organismus ist die Chronobiologie (griechisch: Chronos = Zeit; Biologie = Lehre von der belebten Natur).

Tausende Fragebögen, die u. a. von Professor Till Roenneberg, dem Lehrstuhlinhaber für Chronobiologie an der LMU München, ausgewertet wurden, zeigen dass etwa 60% der Menschen in Europa tendenziell dem Chronotyp Eule angehören. Bei diesen Menschen, die abends später zu Bett gehen, ist die biologische Schlafenszeit beim frühen Klingeln des Weckers noch nicht beendet. Dennoch müssen sie mit der sozialen Außenzeit leben und befinden sich während der Arbeitswoche im sozialen Jetlag. Kein Wunder, dass diese Menschen früh am Morgen einfach nur müde und nicht etwa faul sind.

Die Lerche dagegen ist der typische Morgenmensch. Der Mensch dieses Chronotyps geht abends gerne früh zu Bett und ist früh am Morgen bereits voll leistungsfähig. Lerchen sind deshalb besonders kompatibel mit Berufen, die auf einen frühen Arbeitsbeginn setzen. Nicht bei jedem Menschen ist der Chronotyp gleich stark ausgebildet, jedoch kann man aus einer Eule keine Lerche machen und umgekehrt.

Ein Leben gegen die eigenen Rhythmen kann zu Leistungs- und Vitalitätseinbußen und früher oder später zu Gesundheitsstörungen führen.

Die biologischen Rhythmen beschränken sich keineswegs auf den Schlaf-Wach-Rhythmus. Als bedeutender Rhythmus im Tagesablauf wird der Basic-Rest/Activity-Cycle (BRAC) angesehen, also der Ruhe-Aktivitäts-Zyklus, der 1960 bereits vom amerikanischen Forscher Nathaniel Kleitman beschrieben wurde. Während einer Zeitspanne von etwa 90 Minuten schaltet der BRAC den Organismus für etwa 70 – 80 Minuten auf aktiv. In dieser Zeit dominiert der Sympathikus das vegetative Nervensystem und wir können gut fokussiert und konzentriert arbeiten. Danach folgt eine Regenerations- und Entspannungszeit von etwa 10 – 20 Minuten, in der die Ressourcen wieder aufgeladen werden. In dieser Zeit dominiert der Entspannungsnerv Parasympathikus. Der Zeitpunkt für die Leistungsfenster nach dem BRAC unterscheidet sich je nach Chronotyp.

Es lohnt sich, diese Leistungsfenster zu kennen, um sie für konzentriertes Arbeiten ohne Ablenkung zu nutzen. Die Regenerationsphasen können für etwas Bewegung oder auch Atemübungen genutzt werden.

Eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt, dass die regelmäßigen Regenerationsphasen dazu führen, dass in der gleichen Zeit bessere Arbeitsergebnisse erzielt werden. Außerdem stärken sie die Gesundheit und Stressresistenz der Mitarbeitenden.

Auch ein Powernap dient der Regeneration. Bei einer Umfrage wünschten sich zwei Drittel der Beschäftigten in unterschiedlichen Betrieben Ruheinseln für einen Powernap, also eine Kurzschlafpause von 15 – 30 Minuten, um das mittägliche Leistungstief besser zu überwinden.

Die Auswirkungen der Schlafqualität auf die Tagesleistungen – oder – Der Tag macht die Nacht und umgekehrt

Die Art und Bewältigung der Herausforderungen des Tages wirken sich unmittelbar auf die Nachtruhe aus. Andererseits entscheidet die Qualität des Schlafes darüber, wie wir genau diese Herausforderungen managen.

Bereits kurzfristige Schlafdefizite mit Tagesmüdigkeit beeinträchtigen kognitive und physische Fähigkeiten vergleichbar mit einem Blutalkoholgehalt von 0,8 – 1‰. Auch Sozialkompetenz und Motivation sind messbar verringert. Halten die Schlafstörungen an, so kommt es nicht etwa zu Gewöhnungseffekten, sondern die kognitiven, emotionalen und physischen Ausfallserscheinungen verstärken sich.

Der häufigste Grund für nicht durch Krankheit bedingte Ein- Und Durchschlafstörungen ist Anspannung durch nicht verarbeitete Stresssituationen am Tage. Damit einher geht oft die spätabendliche Nutzung von Blaulicht emittierenden elektronischen Geräten zur Erledigung von dringender Arbeit oder zu privaten Zwecken. Da das blaue Licht die Melatoninproduktion hemmt, kommt ein weiterer Faktor hinzu, der die Einschlaflatenz verlängert.

So verbindet sich die am Tage erzeugte Anspannung mit einer unzureichenden Melatoninproduktion zu einer unguten Koalition. Der besorgte Mensch blickt auf die Uhr, grübelt darüber, wie er den nächsten Tag überstehen soll, der weiteren Stress bereithält. Diese Grübeleien locken den Schlaf erst recht nicht herbei. Der neue Tag beginnt, wie der alte endete: mit Müdigkeit, Anspannung, schlechter Stimmung und eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen mit geeigneten BGF-Maßnahmen, die sowohl das Stressmanagement am Tage wie auch die Schlafedukation beinhalten sollten.

Wird der Schlaf nicht berücksichtigt, kann sich die Schlafstörung chronifizieren, auch wenn die Auslöser, die Stressoren, bereits beseitigt sind.

Ist Work-Life-Balance zeitgemäß?

Auch wenn sich dieser Anglizismus fest in der deutschen Sprache etabliert hat, so wird er selten hinterfragt. Etwas auszubalancieren gäbe es, wenn Arbeit und Leben als Gegensätze gesehen werden. Arbeit ist aber ein Teil des Lebens, da wir etwa ein Drittel des Tages der Arbeit widmen. Wenn wir die Arbeit als separate Einheit sehen, müssten wir sie von der Lebenszeit abziehen. Deshalb ist die Work-Life-Balance ein zentraler Punkt des Diskurses um Arbeit und Privatleben und ihr Verhältnis zueinander. Zu Zeiten des Homeoffice hat dieser Diskurs neue Facetten bekommen, da die Abgrenzung der einzelnen Lebensbereiche schwieriger wird.

Schauen wir den Schlaf an, so wird dieser eher dem „Rest des Lebens“ und nicht der Arbeit zugeordnet. Das ist einer der Gründe für die noch dürftige Präsenz dieses Themas in der BGF.

Wenn wir die Arbeit vom „Rest des Lebens“ separieren, so wird außer Betracht gelassen, dass Arbeit nicht nur ein sinnstiftender Teil des „ganzen Lebens“ sein kann, sondern auch der persönlichen Weiterentwicklung dient und beides auch sollte. Hier ist allerdings auch noch einiges zu tun.

Eine ganzheitliche Sicht- und Vorgehensweise hätte das Ziel, eine harmonisierte Lebensbalance zu erreichen. Und hier bilden Schlaf und chronobiologische Rhythmen ein stabiles Fundament.

Unternehmern, BGM-Verantwortlichen und externen BGM-Dienstleistern stehe ich gerne zu einem Beratungsgespräch zu diesen Themen und zum Vitasom® Programm zur Verfügung.

Im nächsten Blogartikel wird es um Schichtarbeit, Jetlag und andere Herausforderungen gehen.

Links:

Mehr zu Chronotyp und Leistungsfähigkeit

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